Ausstellungsarchiv

GEGENÜBERSTELLUNGEN – 50 Jahre Zeitvergleich

21.02.–26.04.2014

Spricht man von Kunst der 1960er Jahre muss man in erster Linie zwischen den Kulturräumen Amerika und Europa differenzieren. Während Europa noch direkt auf die beiden Weltkriege und die Nachwirkungen der faschistischen Regime reagierte, hatte sich in Amerika eine autarke und starke Kunstszene entwickelt. Pop Art, Action Painting, Abstrakter Expressionismus, Body Art, Land Art bestimmen bis heute das internationale Kunstgeschehen.

Die europäische Kunst hatte bereits Mitte der 1920er Jahre eine Zäsur erfahren. Die Ära der vielfältigen „ismen“ ging zu Ende, eine strenge politische Kanonisierung hatte eingesetzt. Die (Foto)Montage avancierte zum Paradigma der avantgardistischen Moderne bevor sie Jahre später zum führenden Repräsentationsmedium faschistischer und diktatorischer Propagandaapparate wurde.

Die Nachkriegskunst in Europa war einerseits geprägt von Rückgriffen auf die 1920er Jahre anderseits hatten sich regional autonome, meist politisch orientierte Tendenzen entwickelt. In Österreich war mit dem Aktionismus eine Kunstrichtung entstanden, die einer noch immer faschistoid denkenden Gesellschaftsschicht den Krieg ansagte. Das Tafelbild als Symbol des „bürgerlichen Kunstbegriffes“ wurde für tot erklärt. Im Deutschland etablierte sich mit Fluxus ebenfalls eine performative Kunstform, aus der mit Joseph Beuys und Dieter Roth Künstlerpersönlichkeiten hervorgingen, die amerikanische Ansätze der Pop Art einer sozial- und umweltpolitisch kritischen sowie prozessorientierten Radikalisierung unterzogen und durch Rückgriffe auf Elemente des Readymade neu inszenierten.

Um Unterschiede zu verdeutlichen ist es notwendig, ein hohes Potenzial an Vergleichbarkeit zu schaffen. Ausgewählte Arbeiten aus den Beständen der Galerie vermitteln ein umfassendes Bild der Kunstproduktion um 1960. Wie die unterschiedlichen Kunstströmungen im Lauf von 50 Jahren rezipiert wurden und welche Veränderungen damals aktuelle Diskurse erfahren haben, zeigt die direkte Gegenüberstellung.

Die Multiples „Brillo Box“, 1966 von Andy Warhol und „Wechselstromaggregat“, 1968, von Joseph Beuys demonstrieren die unterschiedlichen künstlerischen Intentionen in Amerika und Europa. Bei Andy Warhols „Pop Art Ikone“ handelt es sich um die gemalte Nachahmung des Originals, als Bestandteil einer Installation von 400 gleichartigen Exponaten, die für jedermann erschwinglich sein sollten. Die Arbeit von Joseph Beuys ist im Kontext seiner sozial- und umweltpolitisch kritischen Haltung zu sehen. Als Teil einer großangelegten Performance symbolisierte die Installation die Hoffnung, die Dualismen Ost und West, bzw. Mystizismus und Materialismus mittels Kunst zu vereinen zu können.

Eine weitere Kunstform, welche die Kommerz-Idee der Pop Art aufgriff, war die Eat Art. Als eigene Kunstrichtung postulierte sie die „Einheit von Kunst und Leben“ und erhebt in den 1960er und 1970er-Jahren Essen zum künstlerischen Medium. So verdeutlicht Dieter Roth in seinem Werk das Prozesshafte allen Seins über den Verfall und die Zersetzung von Lebensmitteln. Essen und Kochen als Schnittstelle zwischen Natur und Kultur visualisieren Daniel Spoerris „Fallenbilder“, die als stumme Zeugen eines ewigen Kreislaufes einen Ausschnitt aus dem Zyklus des Lebens zeigen. Joseph Beuys dienen bestimmte Nahrungsmittel zur Vermittlung seines Begriffs der „sozialen Plastik“. So steht der Honig ikonisch für das arbeitsteilige Zusammenwirken der Bienen und damit für eine funktionierende Gesellschaftsordnung.[i] Dieser Metapher bedient sich auch Paul Renner, dessen Kunst immer in engem Zusammenhang mit Kulinarik steht, in seinem Projekt „Bienenstock komprimiert“.

Der spätestens seit den Readymades von Marcel Duchamp im öffentlichen Bewusstsein verankerte Diskurs über den künstlerischen Wert von Gebrauchsgegenständen bzw. den Gebrauchswert von Kunst fand seine Umsetzung unter anderem in einer radikalen Erweiterung des Begriffs der Plastik/Skulptur mit individuell stark divergierenden Herangehensweisen. Die frühen Objekte von Padhi Frieberger beispielsweise bestehen aus Fundstücken und rekurrieren in der Verwendung antibürgerlicher Persiflage und narrativer Momente stark auf die politische Kunst um 1930. Sie hatten Vorbildfunktion für die Wiener Aktionisten. Adolf Frohner greift in Gerümpelplastiken ebenfalls auf Objects Trouveés zurück. Für ihn steht jedoch nicht die Narration im Vordergrund sondern das Spiel mit materialimmanenten ästhetischen Qualitäten. Sein bildnerisches Credo: „Kunst ist überall“. Ähnliche Kriterien gelten für die textilen Objekte von Erwin Wurm. Durch die Art der Präsentation, oft gehängt, gefaltet gelegt, werden sie von ihrer Gegenständlichkeit und Funktion befreit und erhalten die plastische Qualität eines abstrakten, monochromen Kunstobjekts mit haptischem Reiz. Für Franz West war grundsätzlich alles kunstwürdig. Künstler und Rezipient waren in Interaktion gleichermaßen am künstlerischen Legitimationsprozess beteiligt. Rudolf Polanszkys Plastiken aus Fundstücken und Materialresten stellen den Versuch dar, über das Verlassen konventioneller Strukturen und Formenbildungen ein neues Verhältnis zur Wahrnehmung von Topologien zu finden.

Performative Kunstformen überleben meist nur in Form von Fotografie oder Film. Als Fotos können sie zur inszenierten Fotografie gezählt werden. Das weite Spektrum dieses Begriffs kann hier nur ansatzweise skizziert werden.

1963 findet unter dem Titel „Versumpfung eines weiblichen Körpers – Versumpfung einer Venus“ in Wien zum ersten Mal eine Aktion statt, in der der menschliche Körper gleichwertig neben anderen Materialien in einen konzipierten Handlungsverlauf eingefügt wird. Für den Künstler Otto Muehl ist ausdrücklich die genaue, den Ablauf der Aktion nachvollziehbar machende fotografische Dokumentation entscheidend. Muehl führt bis Ende 1966 zumeist unter Einbeziehung weiblicher Modelle seine Materialaktionen durch, die fotografisch und filmisch dokumentiert sind.[ii] Materialqualitäten des weiblichen Körpers dominieren auch die Kinbaku Serie von Nobuyoshi Araki, die kurz vor 2000 entstand. Seine momenthaften Inszenierungen weiblicher Sexualität sind bis ins Detail arrangiert und beziehen Architektur und Raum mit ein.

Den eigenen Körper als Ausdrucksträger setzen unter anderem VALIE EXPORT, Bruce Nauman, Carolee Schneeman, Friederike Pezold und später Christian Eisenberger ein. Die Künstler begreifen sich zugleich als Subjekt, Medium und Objekt ihres Tuns. Diese Dynamik bedingt eine Loslösung von der mimetischen oder repräsentierenden Darstellungsweise und wandelt sich zu einer Geste, in welcher Weltbeschreibung und Selbstbeschreibung ineinander aufgehen.[iii]

Viele Land Art und Street Art Projekte gehören zu den ephemeren Kunstgattungen, die ebenfalls nur durch das Medium Fotografie überleben. Für Christian Eisenberger ist der Zerfall oder der Verlust seiner Installationen im öffentlichen Raum schon integrativer Bestandteil des Konzepts. Ohne fotografische Aufzeichnung blieben die Arbeiten unbekannt. Joseph Beuys hingegen setzte mit seinen documenta Aktionen dauerhafte Zeichen, die mittlerweile zu Denkmälern geworden sind.

Zur österreichischen Malerei der 1960er Jahre zeigt die Galerie unter anderem informelle Arbeiten von Günter Brus, Otto Muehl, Oswald Oberhuber und Adolf Frohner, sowie Op Art Objekte und Computerbilder von Marc Adrian, der damals als einziger österreichischer Künstler mit seinen Werken im Pariser Louvre, im New Yorker MOMA, später zu Beginn des Computerzeitalters in der Zagreber Galerie für zeitgenössische Kunst und im Londoner ICA vertreten war. Hans Weigand, Heimo Zobernig, Christian Eisenberger, Zenita Komad und viele mehr präsentieren unterschiedliche zeitgenössische Positionen.

[i] Aus dem Pressetext zur Ausstellung „Kunst und Vergänglichkeit. Essen in der Kunst“, Kunsthalle Krems, 2013/14.

[ii] Vgl: Millautz, Manuel: Text zur Materialaktion Nr. 5 von Otto Muehl, für den gleichnamigen Folder, Galerie Konzett, 2011.

[iii] Vgl.: Grenzen der Karthasis in den modernen Künsten. Transformationen des aristotelischen Modells seit Bernays, Nietzsche und Freud, hrsg. von Martin Vöhler und Dirck Linck, Berlin/New York 2009, S. 199-230.

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