Ausstellungsarchiv
KKK Nr. 7: PARAPHRASE
20.05.–25.06.2016
„Die Literatur der Neuzeit ist eine Paraphrase zu Dantes Commedia“ (J. L. Borges)
„Die Philosophie ist eine Paraphrase zu Platon“ (M. Heidegger)
„Die Kunst ist eine Paraphrase der Natur“ (Novalis)
Wenn alles Paraphrase ist, was ist dann das Thema?
Paraphrase ist per definitionem die sinngemäße Umschreibung oder Verdeutlichung eines Sachverhalts, einer Bedeutung. Ein künstlerischer Dialog, der zwischen Transkription, Variation, Nachempfindung und Improvisation angesiedelt ist. Beinahe jede Form von Kunst ist eigentlich Paraphrase. Ein Kunstwerk entsteht in der Regel nicht aus sich allein sondern bezieht sich auf ein Vorbild und knüpft an eine künstlerische Tradition an. Paraphrase verbindet ständige Aktualisierung mit der Immanenz der originären semiotischen Codes.
In der bildenden Kunst reflektiert die Paraphrase häufig die Positionierung des künstlerischen Selbstbildes. Das Gemälde „Otto Muehl hindert van Gogh, sich das Ohr abzuschneiden“ zeigt neben der Antizipation stilistischer Charakteristika der Malerei van Goghs durch Muehl, wie den breiten, dynamischen Pinselstrich und die undefinierbare räumliche Situation, vor allem interessante psychologische Aspekte: Otto Muehl erhebt sich gewissermaßen über van Gogh und greift posthum „als Schöpfer“ in dessen Leben ein. Joseph Beuys präsentiert sich in „La Rivoluzione siamo noi“ in der Ikonografie ägyptischer Wächter- und Götterfiguren.
Für die Performance Body Sign B ließ sich VALIE EXPORT 1970 ein Strumpfband in den Oberschenkel tätowieren. Ihr Körper wird zum Kunstwerk und transportiert die Tätowierung als Zeichen einer vergangenen Versklavung, als Attribut einer nicht selbstbestimmten Weiblichkeit. Ein Foto zeigt die Künstlerin in der Ikonografie der Revuetänzerinnen des ausgehenden 19. Jahrhunderts, wie man sie beispielsweise bei Henri Toulouse-Lautrec findet
Rita Nowak inszeniert fotografische Tableaus nach dem Vorbild bekannter Werke der Kunstgeschichte. Deren Stil, Komposition und narrative Strukturen werden in ein zeitgenössisches Ambiente transferiert. Zur Brillo Box von Andy Warhol sei ein Zitat von Claes Oldenburg angeführt: “With his Brillo boxes there is a degree of removal from actual boxes and they become an object that is not really a box. In a sense they are an illusion of a box and that places them in the realm of art.” Erst die Paraphrase macht das Werk zum Kunstwerk. (A.R.)
In der Musik ist die Paraphrase als Gattungsbegriff erst im 19. Jahrhundert etabliert (F. Liszt). Als Technik ist sie so alt wie die mehrstimmige Musik selbst. Schon die ersten Organa der Notre-Dame Schule waren streng genommen Paraphrasen über einen Choral. Im Gegensatz zur Variation, die zu dem jeweiligen Thema immer in Konjunktion bleibt, kann die Paraphrase auch in ganz andere Regionen führen. Chrsitian Eichhorn wird dies in seinen Paraphrasen über „Une jeune fillette“ nach Eustache Caurruy (1549–1609) eindrucksvoll vorführen. Die Paraphrase als Zeitreise.
Gerhard Schedl geht in seiner romantischen Paraphrase über „Der Tod und das Mädchen“ (1986) für Streichquartett noch weiter: bis in die absolute Innerlichkeit des Themas, das dann nur mehr zu erahnen aber kaum mehr zu hören ist. Paraphrase als Verdichtung der Wahrnehmung.
In „Kinderreim“ von Otto M. Zykan, wird die Frage nach „Was ist Thema, was ist Variation, wann kommt was Neues?“ auf virtuose Art hintergangen. In seinen flinken Sprachmutationen schafft er einerseits rhythmische Verdichtungen und andererseits inhaltliche Ausuferungen bis zur Tautologie. Und er schafft damit eine neue Musikgattung: Lieder ohne Töne.
Franceso da Milano (1497–1543) hat mit seinen Intavolierungen von Chansons, Madrigalen und Motettenquasi eine Vorform der „Greatest Hits-Compilations“ geschaffen. Er hat die beliebtesten Stücke seiner Zeit in Tabulatur gesetzt, d. h. er hat aus den Stimmbüchern, in denen nur die einzelnen Stimmlagen notiert waren, spielbare Partituren gemacht, sich dabei aber eines Systems von Symbolen, Buchstaben und Zeichen bedient, ähnlich der lead-sheet Akkordnotation im Jazz. Das musikalische Geschehen ist in formalhafter Diminuition dargestellt und verlangt vom Interpreten eine weiterführende Gestaltung aus dem Augenblick heraus. Die Paraphrase quasi als Grundprinzip.
Musik ist Kunst in der Zeit. Die Musikschaffenden haben dabei mehrere Modelle geschaffen, die Dauern der Melodien, Stücke, Werke, also die Zeit selbst, quasi auszutricksen: durch Wiederholung, Variation, Paraphrase oder einfach das Hinzufügen von etwas Neuem. Eine Fünfte Möglichkeit gibt es nicht. Oder doch?
Die Paraphrase ist die nobelste Variante der Verdichtung und Zeitmanipulation bei thematisch orientierter Kunst. Damit ist auch die eingangs gestellte Frage „Wenn alles Paraphrase ist, was ist dann das Thema?“ beantwortet. (M.M.)
Beinahe jede Form von Kunst ist eigentlich Paraphrase. Ein Kunstwerk entsteht in der Regel nicht aus sich allein sondern bezieht sich auf ein Vorbild und knüpft an eine künstlerische Tradition an. Paraphrase verbindet ständige Aktualisierung mit der Immanenz der originären semiotischen Codes.
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